ASF-Weggefährt*innen, Israel

Wir trauern um Marianne Karmon

Marianne Karmon ist am 11. Dezember 2023 im Alter von 102 Jahren in Jerusalem gestorben. Wir trauern um eine Freundin, die die Arbeit von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste über Jahrzehnte in Israel eng begleitet hat. Marianne hat die israelisch-deutschen Beziehungen maßgeblich geprägt.

Die ASF-Freiwillige Leonore Schweynoch zu Besuch bei Marianne Karmon auf ihrer Terrasse in Jerusalem 2022. Bild: ASF/Ruthe Zuntz

Ich lernte Marianne in den 2000-ern kennen, sie gehörte dem Verein des Freundeskreises von ASF in Israel an und wurde viele Jahre von Freiwilligen besucht. Sie war für mich und für viele Freiwillige eine warmherzige und interessante Gesprächspartnerin, die Begegnungen mit ihr auf ihrer schönen Dachterrasse mit Blick über Jerusalem waren bei meinen Besuchen für mich von großer Bedeutung.

So ging es auch vielen Freiwilligen, denen Marianne aufgeschlossen und sehr interessiert begegnete. Sie konnte mitreißend aus ihrem Leben und von ihren vielen Reisen erzählen, aber auch offen über Krisen und schwierige Lebenserfahrungen sprechen. Zugleich nahm sie immer auch Anteil am Alltag und den Erlebnissen der jungen Freiwilligen.

Marianne hat viel Leid und Verlust erlebt. Sie wurde 1921 in Berlin geboren und konnte 1939 vor der antisemitischen Verfolgung mit einer zionistischen Jugendorganisation nach Schweden fliehen. Als junge Frau arbeitete sie auf Bauernhöfen und betreute Kinder. Hier blieb sie zehn Jahr und ihre Tochter kam auf die Welt. Seit 1949 lebte sie in Israel. Der Tod ihrer einzigen Tochter Manja Mitte der 1990-er Jahre war für sie besonders einschneidend. Sie hielt den Kontakt zu ihren beiden Enkeltöchtern, die nicht in Israel lebten.

Marianne suchte und pflegte früh den Kontakt mit Menschen aus Deutschland, 1980 wurde sie Vorsitzende der Israelisch-Deutschen Gesellschaft in Jerusalem und auch im israelischen Verein der Freunde von ASF wirkte sie prägend mit.

Ich habe Marianne als sehr umtriebige, neugierige, liebevolle und humorvolle Person erlebt, die sich für Kultur, Menschen, Reisen, Politik, Handwerk und Natur interessierte und für alles, was ihr von ihr geliebten Menschen nahe gebracht wurde.

Zuletzt habe ich Marianne im Juni in Jerusalem getroffen. Sie bekam noch immer viel Besuch, vor allem von Freund*innen aus Deutschland. Obwohl das Alter ihrem Körper zusetzte, war sie noch immer eine wache, kluge und schöne Frau, eine grande dame in ihrer geschmackvollen Wohnung in Jerusalem. Das Atemgerät ratterte im Hintergrund ihres Wohnzimmers, es störte den Austausch mit ihr aber nicht.

Nach dem 7. Oktober habe ich noch einmal mit ihr telefoniert. Sie fühlte sich in Jerusalem sicher, war aber sehr aufgewühlt von den furchtbaren Ereignissen.

Marianne hat in den letzten beiden Jahren oft gesagt, dass ihr Leben bald enden würde, oft hat sie es sich gewünscht. Obwohl sie 102 Jahre alt war, habe ich diesen Gedanken nie richtig zugelassen. Sie war einfach immer so präsent, aufmerksam und lebendig in unseren Begegnungen. Wir werden sie sehr vermissen und ich bin voller Dank für ihre Impulse und ihre Offenheit. Ich bin mit vielen Freiwilligen und Kolleg*innen dankbar, dass wir sie kennen durften.

Jutta Weduwen
ASF-Geschäftsführerin

Begegnungen mit Marianne Karmon

Die ASF-Freiwillige Leonore und Marianne Karmon, die die Shoah in Schweden überlebte. Bild: ASF/Ruthe Zuntz
Der Freiwillige Leon Mahncke 2017 besuchte regelmäßig Marianne Karmon und ihren Lebenspartner. Bild: ASF/Helena Schätzle

Die deutsch-israelische Fotografin Ruthe Zuntz reiste 2022 durch Israel und dokumentierte den Alltag von verschiedenen ASF-Freiwilligen, darunter auch einen Besuch von Leonore Schweynoch bei Marianne Karmon in ihrem Apartement in einem Jerusalemer Altersheim.

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