Widerstand
Zeitschrift: zeichen 1 / 2016
Wer definiert Widerstand? Wer definiert Recht und Unrecht? Ist Widerstand ein Begriff, der vom Standpunkt der Betrachtung abhängt und damit beliebig zu füllen ist? Wie widerständig muss Widerstand sein, dass er diesen Namen verdient?
Eike Stegen erörtert in seinem Leitartikel die unterschiedlichen Formen des Widerstands gegen die Nationalsozialisten. Er erzählt Beispiele des Widerstehens im Alltag eines Hausmeisters, eines Werftarbeiters und einer Stenotypistin. Diese gleicht er mit den gängigen Definitionen des Widerstands ab, die vor allem für Bewegungen wie den Kreisauer Kreis und die Weiße Rose gelten, die die Überwindung der Nazi-Diktatur als Ziel hatten.
Wir beleuchten den Widerstand gegen den Nationalsozialismus aus internationaler Perspektive beispielhaft für die Länder Polen, die Ukraine und die Niederlande. Ein besonderes Augenmerk liegt darauf, in welcher Form über den Widerstand gesprochen wird und wie der Widerstand Bezugspunkt für politisches Handeln in der Gegenwart geworden ist.
Unsere Freiwilligen berichten über ihre Begegnungen mit Widerstand: wenn Zeitzeugen sie an ihren Erinnerungen teilhaben lassen oder wenn sie an Orten arbeiten, die Bezug zum Widerstand nehmen, so in der Stiftung Kreisau, im Projekt Castrum Peregrini in den Niederlanden und in Yad Vashem in Jerusalem. Die Freiwillige Emily Philippi setzt sich auch mit Kontroversen über Widerstand innerhalb der jüdischen Gemeinschaft auseinander.
Die Arbeit gegen rechtspopulistische und rechtsextremistische Bewegungen steht im Mittelpunkt dreier Beiträge: Der ehemalige Präsident des Landgerichts Lübeck erörtert aus juristischer Perspektive Möglichkeiten, Naziaufmärsche zu verhindern, während die brandenburgische Pfarrerin Judith Kierschke über ihre Bemühungen der Integration von Geflüchteten in der Kleinstadt Storkow spricht. Wie die Instrumentalisierung des Widerstands-Begriffs durch die neuen rechtspopulistischen Bewegungen zu beurteilen und wie dem zu entgegen ist, stellt der Rechtsextremismus-Experte Jan Riebe dar.
Es kann keine allgemeingültige Definition geben, die Widerstand exakt eingrenzt und eindeutig von Protest und Zivilcourage abgrenzt. Es kommt auf den Kontext an. Damit ist der Begriff aber nicht beliebig. Widerstand wird in meinen Augen denunziert, wenn er nicht mit demokratischen Werten, dem Streben nach Frieden und Menschenrechten, mit der Achtung der Verschiedenheit der Menschen und mit der Solidarität über Grenzen hinweg verknüpft wird. Man kann das Recht, das Berthold Brecht meinte, nicht von seinen politischen Werten lösen, sonst macht man Unrecht zu Recht.
Dieses zeichen macht das vielfältige Engagement unserer Freiwilligen und Partner_innen für die Werte deutlich, die wir als Recht bezeichnen und für die wir uns einsetzen.