Predigthilfe zum 27. Januar – Internationaler Holocaust-Gedenktag

Predigthilfe 2021

»Vergiss nicht, was Deine Augen gesehen haben.« (Dtn. 4,9)

Was haben die Augen des Volkes Israel gesehen? Mose stellt es den Israeliten vor Augen: Gott hat sie aus Sklaverei und Unterdrückung befreit. Sie haben gesehen, wie stark sein Wille und wie groß seine Macht ist, sie in die Freiheit zu führen. Und auf diesem Weg haben sie gesehen: Gott gibt ihnen für dieses Leben als freie Menschen Weisungen und Gebote, damit sie in dieser Freiheit in Gerechtigkeit miteinander leben; so leben, dass jeder und jede zu seinem und zu ihrem Recht kommt; und so leben, dass sie auch Gott zu seinem Recht kommen lassen, ihn Gott sein lassen und nicht fremden, selbstgemachten Göttern nachlaufen. Das haben sie mit eigenen Augen gesehen und am eigenen Leib erfahren: Freiheit und Gerechtigkeit. Das sollen sie nicht vergessen. Das sollen sie immer vor Augen, in Herz und Sinn haben.

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Aber haben sie wirklich gesehen? Ja, in einem weiteren Sinn, haben sie dies leibhaftig, mit allen Sinnen wahrnehmbar erfahren. Und dabei zugleich erfahren: Dieser Gott lässt sich nicht in einem festen, starren Bild sehen. Vielmehr erkennen sie ihn in vielfältiger Weise: in seinem befreienden Handeln; in einem gewaltigen Feuer aus der Bergspitze; in seinem Wort und seiner Weisung, die er selbst auf steinerne Tafeln schreibt, so dass die Menschen sie sehen und nachlesen können. Diese Erfahrungsweisen sind unterschiedlich, doch in ihnen allen liegt die eine elementar wichtige, leibhaftige Erfahrung: Freiheit und Gerechtigkeit. Das sollen sie nicht vergessen, damit sie in dieser Spur, auf diesem Weg von Freiheit und Gerechtigkeit bleiben. Dies gelingt, wenn sie ihr Handeln an seinem Handeln orientieren, wenn sein Handeln ihnen Maß und Mitte ist.

Es bedeutet auch: Vergiss nicht, dass Gott ein Gott ist, der hinsieht; der diejenigen ansieht, die von Mächtigen rück-sichts-los unterdrückt werden und aus dem allgemeinen Blickfeld geraten; der denjenigen Ansehen verschafft, die ihrer Würde beraubt werden; der diejenigen kennt und erinnert, die zu Opfern und unkenntlich gemacht werden. All diesen ist er Gott, ein Gott, der für ihre Freiheit und Gerechtigkeit eintritt. Er stellt sie vor sich, in sein Blickfeld. Auch uns als in Christus zum Volk Gottes Hinzugekommene lenkt er den Blick genau dort hin. Dass wir seinen Augen folgen und sehen, hinsehen, wahr- nehmen, dem Anblick von Unrecht und Grauen standhalten, nicht wegsehen, nicht darüber hinwegsehen, nicht übersehen, nicht aus dem Blickfeld ver- drängen. »Vergiss nicht, was Deine Augen gesehen haben«: Zu welchen Grausamkeiten Menschen fähig sind, rational geplant, kühl durchgeführt, gefühllos schlüssig einem selbstgemachten Gott dienend. Der 27. Januar ist (erst) seit 14 Jahren der bundesweit gesetzlich verankerte Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. An diesem gemeinsamen Gedenktag ist wichtig, dass die Gesellschaft in diesem Land der Täter und Mittäter als ganze dem Rückblick auf ihre grauenhafte Vergangenheit standhält und nicht vergisst, was an unvorstellbar Schrecklichem Menschen gesehen und erlebt haben, wie es nachwirkt als schwere Last auf Seelen, wie es weiterwirkt als Gift in Köpfen und Herzen; und dass Wegschauen zur Mittäterschaft wird.

Die Texte in diesem Heft dienen solchem Sehen und Gedenken. Sie führen zur Orientierung am Gott Israels, dem Gott, der hinsieht; der darauf sieht, dass seine Weisung zum Leben ins Leben kommt; auch durch unser Tun, das mit dem Sehen, dem Hinsehen auf Ihn und auf den Anderen beginnt, rück-sichts- voll und aus der Hoffnung, dass der Gott Israels und Vater Jesu Christi Schuld vergibt und zum Handeln für Freiheit und Gerechtigkeit befreit.

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