Kreis der Erinnerung schließt sich – 25 Jahre nach dem Freiwilligendienst
Ein Freiwilligendienst #mitASF wirkt manchmal weit über das eine Jahr hinaus, wie die Geschichte von Jan Schultheiss und der Familie Becker zeigt: 25 Jahre, nachdem sie sich in Jans Freiwilligenjahr in den USA begegneten und Freundschaft schlossen, gibt es nun Stolpersteine für Dorothea, Wilhelm und Marian Becker: Dort, von wo sie vor 87 Jahren als jüdische Familie vor den Nazis fliehen mussten.
Stolpersteine für die Familie Becker. Bild: Gundi Abramski
Jan ging nach seiner Schulzeit 1998 nach Chicago. Er war der erste ASF-Freiwillige im jüdischen Altersheim The Selfhelp Home. „Am Anfang traf ich auf Neugier, aber auch auf Bedenken“, erinnert er sich. „Viele trafen zum ersten Mal wieder auf einen Deutschen und hatten als Überlebende der Shoah zwiespältige Gefühle.“
Dorothy Becker hatte mit ihrem Mann William – sie hatten nach der Flucht die englische Version ihrer Namen gewählt – das Heim mit begründet. Jan wurde in dem Jahr Teil der Gemeinschaft und über Zeit wuchsen Vertrauen und eine lebenslange Freundschaft zur Familie Becker. Mit der Tochter Marian besuchte Jan 2000 zum ersten Mal ihre Geburtsstadt Berlin. Die Erinnerungen an die Verfolgung erschütterte sie beim Besuch des Holocaust-Mahnmals, ebensowie der Umstand, dass jüdische Schulen und Synagogen Polizeischutz benötigen. Umso schöner war der Besuch des Hauses, das ihre Eltern am Stadtrand in Kladow erbaut hatten.
Gestern konnten mit der Hilfe des Bezirks Spandau und der Jugendgeschichtswerkstatt Stolpersteine verlegt werden. Um die 100 Menschen kamen in das mitten im Grünen gelegenen Gartenhaus in Groß-Glienicke ganz im Südwesten von Spandau. Angehörige der Familie reisten aus den USA an. Ein verwandter Rabbiner sprach digital zugeschaltet den Segen. Jeanne Wecker begleitete musikalisch. Schülerinnen des Hans-Carossa-Gymnasiums und der Waldschule hatten die Lebenswege recherchiert und erzählten von der Familie Becker. William wurde nach seinem Studium in Heidelberg in Berlin Orthopäde mit einer eigenen Praxis.
Jan hatte die Verlegung vor Jahren initiiert. So schließt sich ein weiterer Kreis für die Familie Becker und ihn.
Fast alle ASF-Freiwilligen begegnen in ihrem Dienst Überlebenden der nationalsozialistischen Verfolgung. Mittlerweile liegen zwischen den meist um die 20 Jahre alten Freiwilligen und den hochbetagten Überlebenden Generationen, in den Anfangsjahren von Aktion Sühnezeichen waren es manchmal nur ein paar Jahre Altersunterschied.
Der von den Beckers erbaute Bungalow liegt ganz im Südwesten von Berlin am Randau Spandaus in Groß-Glienicke mitten im Grünen. Alle Bilder: Gundi Abramski
Rund 100 Gäste, darunter viele Anwohner*innen und Schüler*innen waren zur Verlegung gekommen.
Die Familie Becker in den 1930er-Jahren auf der Terrasse ihres Hauses.
Die heutigen Bewohner des Hauses luden nach der Verlegung ein. Für die aus den USA angereiste Enkelin und Urenkelin der Beckers eine sehr schöne Geste.
Schüler*innen der Waldschule und des Hans-Carossa-Gymnasiums hatten mit der Jugendgeschichtswerkstatt die Biographien der Beckers recherchiert.
Jan Schultheiß lernte die Beckers vor 25 Jahren bei seinem ASF-Freiwilligendienst im Selfhelp Home in Chicago kennen. Dorothy Becker hatte das Altersheim mit begründet.
Die Enkelin Lori Shaffer sprach über ihre Familie und schaltete per Handy einen verwandten Rabbiner aus den USA zu, der den Segen auf Hebräisch sprach.
Die Stolpersteine erinnern künftig vor dem von den Beckers erbauten Haus an ihr Leben, ihre Verfolgung durch die Nazis, aber auch an das Weiterleben in den USA.