ASF-Weggefährt*innen
Wir trauern um Rudolf Maurer

Zeitlebens stritt er für ein erneuertes Verhältnis von Christenheit und Kirchen gegenüber Israel und lebte christlich-jüdische und deutsch-israelische Begegnungen – begleitet und unterstützt von seiner Familie in drei Generationen. Er war Wegbereiter und Gestalter der Sühnezeichen-Arbeit, zum Beispiel als Gruppenleiter des Projektes „Synagogenbau Villeurbanne“ in Frankreich von 1962 bis 1964 oder als Leiter der ASF-Freiwilligen- und Begegnungsprogramme in Israel von 1971 bis1974.
Rudolf blieb der ASF-Arbeit verbunden, durch seine Gemeindearbeit, engagierte Teilnahme an Ehemaligentreffen und Vereinsversammlungen und seine und unermüdliche Bereitschaft, Menschen in Baden-Württemberg und darüber hinaus zu Spenden und Kollekten für Sühnezeichen zu motivieren. Wir verdanken ihm viel und denken an ihn und seine trauernde Familie.
Nachruf
Rudolf Maurer (1933-2021)
Sensibel und kantig – so können wir die Persönlichkeit von Rudolf Maurer beschreiben – eben typisch für Württemberg! Am 15. Juni 2021 ist er verstorben. Diese (scheinbaren) Gegensätze gehören im Schwabenland zusammen – sie bedingen einander. So auch bei Rudolf Maurer. Vielleicht haben sie auch zu tun mit seinen ersten beruflichen Schritten (als Zimmermann, dann als Diakon) – aber sicher mit seinem pietistischen Elternhaus, indem er nicht nur Frömmigkeit erlebte, sondern auch das notwendige Nachfragen und aufmerksames Hören (besonders im Blick auf die schreckliche Geschichte des so genannten Dritten Reiches mit seinen Menschen verachtenden Verfolgungen) erlernte. War Rudolf Maurer ein Heißsporn? Nein. In großer Souveränität und Selbstständigkeit ging er (immer zusammen mit seiner Frau Margret) seinen Weg: In der Jugendarbeit im Kirchenbezirk Neuenbürg im Schwarzwald; dann 1961 beim Kirchentag in Berlin , wo er erstmals der Aktion Sühnezeichen (deren Gründung durch Präses Lothar Kreyssig erst 3 Jahre zurück lag) und der damals neu entstandenen Gruppe „Juden und Christen“ begegnete und sich von beiden ‚anstecken‘ ließ; in seiner Mitarbeit beim Aufbau der Synagoge in Villeurbanne/Lyon im Rahmen von ASF; bei verschiedenen deutsch-französischen Jugendbegegnungen; bei der Übernahme der verantwortungsvollen Arbeit des Länderbeauftragten in Israel von 1971 bis 1974 (1973 brach der Jom Kippur-Krieg aus!). Dort war Rudolf Maurer für die pädagogische Begleitung der Freiwilligen zuständig und betreute den Israel-Freundeskreis von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF). Schließlich wurde er Beauftragter des ‚Dienstes für Mission, Ökumene und Entwicklung‘ der württembergischen Landeskirche. 1980 hatte er dann eine außergewöhnliche Chance wahrgenommen und wurde mit 47 Jahren noch (nach aufwendiger berufsbegleitender Ausbildung) Gemeindepfarrer in Faurndau und danach in Schlierbach (Kirchenbezirk Göppingen). Er war aktives Mitglied im „Denkendorfer Kreis“, der den jüdisch-christlichen Dialog nicht nur theoretisch fordert, sondern konkret etwa durch gemeinsame Lektüre der heiligen Schriften realisiert und im Arbeitskreis „Wege zum Verständnis des Judentums“ in der württembergischen Landeskirche“. Nach seiner Pensionierung lebte er in Göppingen-Faurndau zusammen mit seiner Frau Margret.
Rudolf Maurer „hat sich durch herausragende persönliche Opfer um die Versöhnung und Verständigung mit dem Volk Israel verdient gemacht. Ich bin stolz, heute einen Menschen zu würdigen, der nicht müde wird, für seine Sache zu kämpfen“ – so würdigte 2011 Oberbürgermeister Guido Till/Göppingen Rudolf Maurer bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes. Nur – Rudolf Maurer kämpft nicht für ’seine‘ Sache, sondern er setzt sich mit ganzem Herzen für die Sache des Dialogs, für die gemeinsamen Wege von Christen und Juden, für den Frieden und die Menschenwürde – für die Sache Gottes in und für diese Welt ein.
In einem Brief aus Jerusalem schrieb damals die Freundin Ruth Jutkowski: „Ihr hattet den starken Glauben, dass es möglich ist, ganz normale und menschliche Verhältnisse aufzubauen zwischen Israelis jüdischen Glaubens und Deutschen christlichen Glaubens. Während des Jom-Kippur-Kriegs seid ihr geblieben und habt gezeigt, dass Sühnezeichen nicht nur für Israel, sondern mit den Menschen in Israel ist. Du willst immer weiter lernen. Du hast die Gabe, Kritik so zu formulieren, dass das Gegenüber sie akzeptieren kann.“ Stets war Rudolf Maurer ein Verfechter des Existenzrechts des Staates Israel und gleichzeitig in kritischer Solidarität ein „Grenzgänger“ an den Brennpunkten unserer jüngeren Geschichte. Das wird auch deutlich an seinen erstaunlichen Sprachkenntnissen: Französisch und Iwrit, Hochdeutsch – und natürlich ein breites Schwäbisch! Alle diese Begabungen und Erkenntnisse brachte Rudolf Maurer viele Jahre engagiert ein in den württembergischen Freundeskreis von ASF, der seit den 1980er Jahren vielerlei Veranstaltungen durchführte.
Nun ist Rudolf Maurer, der Streiter und fromme Christenmensch, im Alter von nahezu 88 Jahren nach mühsamer, aber für ihn ruhiger Krankenzeit – in vorbildlicher Treue versorgt durch seine Frau Margret – verstorben. Nun ist er „daheim“ – seine tiefe Sehnsucht der letzten Jahre.
Ein großer Kreis von Freundinnen und Freunden trauert um ihn.
von Christian Buchholz