Vergessen und verfolgt: Die Opfer des Überfalls auf die Sowjetunion
Zeitschrift: zeichen 2/2011
Immer noch verstehen wir nur mit großer Mühe die Brutalität dieses Krieges, der bestimmt war von der Abwertung „der Anderen“ als Untermenschen. Und noch immer weisen wir die ohnehin nur sehr leise formulierten Ansprüche beispielsweise der misshandelten Kriegsgefangenen zurück, die nicht nur in Nazi-Deutschland dem Terror ausgesetzt waren, sondern nach ihrer Rückkehr oft ein zweites Mal als Verräter des Vaterlandes verfolgt wurden. Günter Saathoff, Vorstand der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) erinnert uns an unsere Verantwortung für diese Gruppe, die aus dem deutschen Gedächtnis verschwunden ist. Andrej Kalich von Memorial in Perm und unsere Freiwilligen beschreiben in großer Intensität, dass nicht nur in Russland heute ein „Erinnerungskrieg“ geführt wird – im Inneren wie im Außen -, der natürlich die Gestaltung von Gesellschaft in der Gegenwart zum Ziel hat. Für uns, die wir wissen, welche Opfer die Menschen aus den Sowjetrepubliken für die Befreiung Deutschlands gebracht haben, ist es wichtig, die kritischen Stimmen zur russischen Erinnerungspolitik zu hören, ohne daraus Rechthaberei oder Überheblichkeit zu machen. Es geht um Demokratie, um das Wahrnehmen der Abgründe – unserer wie auch der unserer Partnerländer – und damit um neue Wege in Richtung internationaler Verständigung.
Darum geht es auch bei der Kampagne für das Bleiberecht der Roma aus dem Kosovo. Es ist skandalös, wie wir uns hier der Verantwortung entziehen: sowohl für die Folgen des Kosovo-Krieges und der vorangegangenen Jugoslawien-Kriege als auch für die durch das NS-Regime verursachten europaweiten Folgen für die Gemeinschaften der Sinti und Roma. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse nimmt dazu in unserer Rubrik „5 Fragen“ Stellung.
Am 3. Mai 2011 hatten wir zwei sehr gegenläufige Erfahrungen. Ludwig Mehlhorn, ein Pionier der deutsch-polnischen Verständigung und langjähriges ASF-Mitglied starb viel zu früh und Rudolf Weckerling, lebenslanger Freund von ASF, wurde sehr lebendig 100 Jahre alt. Beiden Leben wollen wir in diesem Heft nachgehen.
Wir danken allen AutorInnen und freuen uns von einem mehr als gelungenen Jubiläum in Israel zu berichten – und auch die anderen beiden Jubiläen in Frankreich und in Großbritannien ankündigen zu können. Wir hoffen mit den großartigen Menschen, mit denen wir arbeiten dürfen, den Freiwilligen und den Partnern, dass Sie uns weiterhin unterstützen.