Projektbericht von Fenna Marie 2023/24 in Norwegen
Fenna Marie war bis August 2024 Freiwillige in Oslo. Sie berichtet von ihrem Friedensdienst und dem Arbeitsalltag in einem jüdischen Altersheim.
Hei, jeg heter Fenna Marie og jeg gleder meg til å fortelle deg om tiden min i Norge. | Hallo, ich heiße Fenna und ich freue mich darauf euch von meiner Zeit in Norwegen zu erzählen.
Meine Freiwilligenstelle ist in einem jüdischen Altersheim in Oslo mit 20 Senior*innen. Fast alle Bewohner*innen haben eine Verbindung zum Judentum, sei es durch ihre eigene Herkunft oder durch ihre Ehepartner*innen. Immer wieder staune ich, wie vielseitig mein Aufgabenfeld hier ist.
Eigentlich ist jeder Tag anders. Meistens sind es schöne Momente mit Bewohner*innen, die einen zum Lachen oder auch Nachdenken bringen. Jedes Lächeln oder Lachen der Bewohner*innen ist ein Geschenk. Dafür bin ich sehr dankbar. Man braucht auch ein bisschen Mut, zuzupacken und einfach zu machen.
Natürlich spielen in einer jüdischen Einrichtung auch die Folgen der Shoah eine Rolle. Dass eine Flucht vor den Deutschen im tiefsten Winter auf Skiern mit wenig Essen und viel Angst im Gepäck Thema am Frühstückstisch ist, kann für mich Alltag sein. Oder dass ich beim Joggen zufällig auf den Stolperstein des Schwagers einer Bewohnerin stoße.
Obwohl die Verfolgung und Ermordung jüdischer Menschen in Gesprächen oft auftauchen, wird es für mich von Mal zu Mal nicht weniger erdrückend und macht mich immer wieder aufs Neue fassungslos. Dass vor mir eine Dame sitzt, die als junges Mädchen wegen der Generation meiner Urgroßeltern fliehen musste und nur so der Ermordung entronnen ist, lässt mich schaudern. Häufig höre ich den Satz: »Wieso machst du einen Friedensdienst mit ASF? Die Verbrechen der Nazis sind doch nicht deine Schuld?« Und dann antwortete ich jedes Mal: »Nein es ist nicht meine Schuld, aber ich habe eine Verantwortung als Deutsche für Deutschland und Europa, dass so etwas nicht noch einmal geschieht.«
Natürlich weiß ich, dass sich Geschichte nicht eins zu eins wiederholt. Dennoch spüre ich deutlich, dass Judenhass und -verfolgung nicht nur Geschichte sind, sondern Gegenwart. ASF hat mir für viele historische Themen die Augen geöffnet. Aber ohne Begegnungen sagt auch das beste Geschichtsbuch nichts aus.