Sommerlager

Erinnerungskultur aktiv gestalten: Sommerlager 2024

Auch in diesem Sommer tauchten über 140 internationale Teilnehmende der ASF-Sommerlager im Alter von 18 bis 75 Jahren tief in die jüdische Geschichte ein und setzten sich auch mit der Zeit des Nationalsozialismus intensiv auseinander. An bedeutsamen Gedenkstätten, kleinen Gedenkorten und jüdischen Friedhöfen in ganz Europa fanden sie Gelegenheit, mit eigenen Händen aktiv mitzuwirken, sich über die Geschichten der Projektorte auszutauschen und voneinander zu lernen.

Die Gruppe half bei der Pflege und Dokumentation des Jüdischen Friedhofs in Višķi.

„Die Arbeit auf dem verlassenen Friedhof war sehr erfüllend. Nach jedem Arbeitstag konnten wir deutlich sehen, wie viel wir erreicht hatten – dieser Ort begann wieder, wie ein Friedhof auszusehen.“ Diese berührende Erfahrung machte eine Teilnehmerin während des Sommerlagers in Višķi, einst einem typischen historischen jüdischen Schtetl in Südostlettland, das das reiche jüdische Leben in Osteuropa verkörperte. Seit drei Jahren engagieren sich Teilnehmende der ASF-Sommerlager an dem malerischen Ort, wo sie am Fundament der ehemaligen Synagoge sowie am vernachlässigten Friedhof arbeiten. Die Sommerlager führen nicht nur praktische Veränderungen an den Projektorten herbei, sie bewirken auch viel in den Köpfen der Teilnehmenden: „Wir haben nicht nur Fortschritte auf dem Friedhof gemacht, sondern auch bei unserem Wissen über jüdische Traditionen und die baltische Erinnerungskultur. Der Austausch in der Gruppe war sehr bereichernd.“

Ein fester Bestandteil des ASF-Programms ist das jährliche Sommerlager an der Gedenkstätte Buchenwald. In diesem Jahr arbeiteten dort zwölf junge Menschen aus Deutschland, Polen und Belarus. Sie pflegen  den Gedenkweg, der entlang der ehemaligen Bahntrasse zum Lager führt. Die KZ-Inhaftierten mussten unter schwersten Bedingungen den Bahndamm anlegen. Heute ein grüner Ort mitten Wald würde kaum etwas daran erinnern, wenn nicht eine Initiative von vielen Ehrenamtlichen mit der Gedenkstätte den Gedenkort erhalten würde. Nun erinnern Infotafeln sowie Feldsteine mit den Namen von Opfern an diese Geschichte. Das Sommerlager half mit Grünarbeiten und gravierte eine Reihe weiterer Steine.  Diese ehrenamtliche Arbeit wurde durch einen Besuch der Familienministerin Lisa Paus gewürdigt. Sie betonte die zentrale Bedeutung von solch eigenständigem historischen Lernen und ehrenamtlicher Initiative für die Erinnerungskultur.

Ein anderes Sommerlager führte in diesem Jahr 25 Teilnehmende aus Deutschland, Griechenland, Polen und Spanien nach Kryoneri, ein kleines Dorf auf dem Peloponnes. „Es war ein wunderbares Sommerabenteuer!“, berichtet ein Teilnehmer. Die Hauptaufgabe der Gruppe bestand darin, den Zugang zur Höhle freizumachen, in der die Dorfbewohner*innen die jüdische Familie von Rivka Kamhi während der Besatzung versteckt hatten. „Die Geschichte dieser Familie und das Heldentum der Einwohner*innen von Kryoneri motivierten mich, selbst unter der brennenden Sonne zu arbeiten. Nachmittags hatten wir die Möglichkeit, die Geschichte der deutschen Besatzung und deren Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung zu erkunden und uns über Demokratie und aktuelle Herausforderungen in der Gesellschaft auszutauschen. Ich bin sehr dankbar für diese Erfahrung.“

Ein neuer und wichtiger Akzent der ASF-Sommerlager ist die Auseinandersetzung mit der neueren deutschen Geschichte: oftmals verdrängte Perspektiven und Ereignisse sichtbar zu machen und auf die eigene Gegenwart zu beziehen. 2024 fand erstmals ein Sommerlager in Rostock statt, das sich kritisch mit dem rassistischen Pogrom von 1992 in Rostock-Lichtenhagen auseinandersetzte. Die Teilnehmenden arbeiteten in Archiven und gestalteten eine Radiosendung zum Thema. „Mir war nicht bewusst, welches Ausmaß der Pogrom hatte. Ich nehme jetzt einen kritischen Blick auf die deutsche Erinnerungskultur mit“, resümierte eine Teilnehmerin nach dieser eindrucksvollen Erfahrung. Auch hier zeigte sich in der Arbeit der Partnerorganisation „Lichtenhagen im Gedächtnis“ die Bedeutung der lokalen Erinnerungsarbeit durch die Zivilgesellschaft.

Nach einer erfolgreichen Sommerlagersaison sind bereits neue Projekte in der Planung. Im kommenden Jahr möchten wir den Schwerpunkt auf die Verfolgung von Sinti*zze und Rom*nja in Polen und Tschechien sowie auf das Thema Zwangsarbeit in Deutschland legen. Die generationsübergreifenden Sommerlager auf jüdischen Friedhöfen in Mitteleuropa und im Baltikum sind weiterhin fester Bestandteil unseres Programms. Das detaillierte Programm wird im Februar veröffentlicht und die Anmeldung öffnet ab März.

Mehr Informationen über das Sommerlager-Programm hier: https://asf-ev.de/sommerlager

Eindrücke aus den Sommerlagern

Die Sommerlager-Gruppe gemeinsam mit der Initiative zur Erforschung und Restaurierung des jüdischen Erbes im lettischen Višķi.
Die Gruppe half bei der Pflege und Dokumentation des Jüdischen Friedhofs in Višķi.
Abkühlung am Ende eines anstrengenden Arbeitstages im nahe gelegenen See oder bei Ausflügen in die malerische Umgebung von Višķi.
Auch im polnischen Wroclaw pflegten Gruppen aus unterschiedlichen Generationen von Freiwilligen den jüdischen Friedhof.
Gedenksteine entlang des ehemaligen Bahndamms zum KZ Buchenwald erinnern an die Opfer.
Familienministerin Lisa Paus besuchte das Sommerlager.
Im schön auf dem Peloponnes gelegenen Dorf Kryoneri versteckten Dorfbewohner*innen eine jüdische Nachbarsfamilie. Ein Gedenkpfad zur Höhle erinnert daran.
Die Gruppe half bei der Errichtung des Gedenkpfade und lernte in der Landschaft mehr über die Geschichte des Ortes.
Erinnerung an die Opfer von Shoah und deutscher NS-Besatzung in Griechenland.
Diese Gruppe setzte sich mit der heutigen Erinnerung an das Pogrom von Rostock-Lichtenhagen auseinander.
Im niederländischen Deventer pflegte die Gruppe einen Jüdischen Friedhof und lernte über die Geschichte der Shoah und des Widerstandes, begegnete aber auch heutigem jüdischen Leben im Land.
Ein Sommer voller Perspektiven: von Griechenland bis Rostock, von den Niederlande bis Lettland.

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