Klare Kante gegen Rechts, Sommerlager
Erinnerung und Verantwortung: Ein Sommerlager gegen rechte Gewalt in Rostock-Lichtenhagen

Organisiert wurde das Sommerlager von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF) in Kooperation mit dem Dokumentationszentrum „Lichtenhagen im Gedächtnis“ – einem Ort des Erinnerns, der sich aktiv mit der Aufarbeitung von Rassismus und rechter Gewalt auseinandersetzt.
1992: Ein Pogrom als Wendepunkt
Rostock-Lichtenhagen war im Sommer 1992 ein Schauplatz der Gewalt, als rassistische Hooligans, unterstützt auch von Anwohner*innen, tagelang das örtliche Asylbewerberheim sowie das angrenzende vietnamesische Wohnheim belagerten und angriffen. Dieses Pogrom markierte einen Höhepunkt der rassistischen Ausschreitungen in den frühen Jahren nach der deutschen Wiedervereinigung und trug maßgeblich zur politischen Debatte um die Asylrechtsänderung bei. Heute gilt es als eines der schwersten rassistischen Pogrome in der deutschen Nachkriegsgeschichte – ein düsteres Kapitel, dessen Auswirkungen auch noch Jahrzehnte später zu spüren sind.
Eine Jugendbegegnung im Zeichen der Erinnerung
Das Sommerlager, das vom 8. bis zum 18. September stattfand, bot den Teilnehmer*innen nicht nur die Möglichkeit, mehr über diese Episode zu erfahren, sondern auch aktiv zur Erinnerungskultur beizutragen. In einer Zeit, in der rassistische und rechtsextreme Strömungen in Deutschland wieder erstarken, hatte das Projekt eine klare Botschaft: Aufklärung und Engagement gegen rechtsextreme Hassverbrechen und Eintreten für eine demokratische Gesellschaft.
„Es ist wichtig, die Erinnerung an Ereignisse wie das Pogrom wachzuhalten“, erklärte ein Teilnehmer. „Nur so können wir die Augen öffnen für die aktuellen Gefahren von Rassismus und Menschenfeindlichkeit.“
Die Gruppe bestand aus zehn jungen Erwachsenen im Alter von 20 bis 39 Jahren, die aus verschiedenen Ländern und sozialen Kontexten kamen. Diese Vielfalt trug maßgeblich zur Dynamik und Tiefe der Auseinandersetzungen bei. Besonders bereichernd war der Austausch zwischen denjenigen, die das Pogrom von 1992 selbst erlebt hatten, und denjenigen, die es nur aus der Geschichte kennen.
Historische Archivarbeit und kreative Auseinandersetzung
Ein zentraler Bestandteil des Programms war die Archivarbeit im Dokumentationszentrum. Hier durchforsteten die Teilnehmer*innen alte Zeitungsartikel aus der Zeit des Pogroms, sortierten und verschlagworteten sie. Dabei wurden nicht nur die Ereignisse von damals lebendig, sondern auch die Wahrnehmung und die Medienberichterstattung aus heutiger Sicht kritisch reflektiert. Diese intensive Beschäftigung mit der Vergangenheit half den Teilnehmenden, die gegenwärtige politische Landschaft besser zu verstehen – besonders mit Blick auf wiedererstarkende rassistische und rechtsextreme Tendenzen.
Doch die Programmtage waren nicht nur von Historie und Fakten geprägt. In einem Radioworkshop, in Zusammenarbeit mit dem lokalen nichtkommerziellen Radio „Lohro“, erstellten die Teilnehmer*innen ihre eigenen Radiobeiträge, in denen sie unterschiedliche Aspekte des Pogroms und seiner Auswirkungen auf die Gesellschaft beleuchteten. „Der Radioworkshop war eine großartige Gelegenheit, meine Gedanken zu ordnen und die Geschichte aus meiner Perspektive zu erzählen“, sagte eine der Teilnehmerinnen. „Es hat mir geholfen, das, was ich gelernt habe, mit anderen zu teilen und meine eigene Stimme in die Diskussion einzubringen.“
Begegnung mit der Gegenwart: Workshops und Stadtrundgang
Neben der Archivarbeit gab es auch inhaltliche Workshops und einen Stadtrundgang, der die Teilnehmer*innen durch die Straßen von Rostock-Lichtenhagen führte, um die Orte des Pogroms und die politischen Spannungen der frühen 90er Jahre besser nachzuvollziehen. Historische Erklärungen wurden mit aktuellen Debatten über Rassismus, rechte Gewalt und Asylpolitik verknüpft – eine Erinnerung daran, dass die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit immer auch die Gegenwart betrifft.
Am Wochenende war dann Zeit, die Umgebung zu erkunden, in einem kleinen Rahmen mit den anderen Teilnehmenden zu reflektieren und zu diskutieren. Die Abende boten Raum für informelle Gespräche, die das Verständnis und den Austausch zwischen den verschiedenen Generationen und Perspektiven förderten.
Ausblick
Das Lager fand große Zustimmung von allen Beteiligten. „Die intensive Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist nicht nur wichtig, um Geschichte zu bewahren, sondern auch, um die Gesellschaft heute zu prägen“, betonte eine Teilnehmerin. „Es war bewegend zu sehen, wie viel Verantwortung jeder von uns für die Gesellschaft übernehmen kann, um gegen Rassismus und Diskriminierung zu kämpfen.“
Für Aktion Sühnezeichen Friedensdienste ist das Sommerlager ein weiterer Schritt, um mit den jüngeren Generationen über die Bedeutung der Erinnerung zu sprechen und den Blick für die Gefahren von Rechtsextremismus zu schärfen. Die Zusammenarbeit mit dem Dokumentationszentrum „Lichtenhagen im Gedächtnis“ soll auch in den kommenden Jahren vertieft werden. „Die Erinnerungsarbeit ist nicht abgeschlossen, und auch die Arbeit gegen rechte Gewalt muss weitergehen. Das Lager in Rostock-Lichtenhagen war ein wichtiger Schritt, aber der Weg ist noch lang“, so das Fazit eines weiteren Teilnehmers.
AFS-Blog
